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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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16.11.2021, 02:49 | #1 |
Ein Bild
Der Frühling lockt das Volk heraus,
Die Mädchen harrn des Schützen. Im grünen Hofe geht der Saus, Wo heitre Äuglein blitzen. Der Freimut führt die kecke Hand Und Zier beginnt zu locken, Zu heischen sich ein Liebespfand Begierlich unerschrocken. Ich höre alte Namen flehn Und traute Stimmen lachen. Ich sehe junge Liebe gehn Zu schaukeln sanft im Nachen. Mir beut sich ringsum tausend Mal Die ewge Melodie Und schön schillt sie im Maiental, Allein ich pfiff sie nie. |
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16.11.2021, 18:39 | #2 |
Ein paar Fragen als Kritik und Kommentar
Guten Tag Johann, und willkommen bei Poetry.de
Damit Du nicht meinst, dass Du hier nur verlacht wirst, einige durchaus ernst gemeinte Fragen zu der doch in mehrfacher Hinsicht sehr "fern" wirkenden Sprach- und Symbolwelt Deines Gedichtes. Ganz allgemein: Es wirkt im ersten Moment fast sarkastisch, im trübseligsten November ein derart jubelndes Frühlingsbild zu posten. Ist es bewusst als Gegenbild gemeint? Ich bürste selbst so was sehr gerne gegen den Strich, doch der eigentliche Inhalt erscheint bei Dir dann weniger ironisch als durchgehend ernst gemeint. Nochmals allgemein: Schon aufgrund des Titels scheint dem Gedicht ja ein gemaltes Bild zugrunde zu liegen - stimmt das, könntest Du es nennen oder gar per Link zur Ansicht posten? Zu S1V2: "Die Mädchen harrn des Schützen." Ist hier Amor mit seinen Pfeilen gemeint, oder doch eher der Jäger aus Kurpfalz o.ä.? Zu S2V4: "Begierlich unerschrocken" Müsste es hier nicht eher "begehrlich" heißen, entsprechend des gar nicht mal so feinen Unterschieds zwischen Begehren und Begierde oder Gier - mit Zweiterem steuert das Ganze doch eher in Richtung Triebetrauma. Zu S3V1 "Ich höre alte Namen flehn" Fehlt hinter hör(e) hier nicht ein Personalpronomen wie Dich oder euch, weil sonst gewissermaßen die Namen zum flehenden Substantiv werden, statt dass jemand anderes sie fleht (warum auch immer)? Zu S4V3 "Und schön schillt sie im Maiental," Ist schillen ein verlorengegangenes Verb, gewissermaßen ein Zwischending aus schrillen und schallen? Chillen kann ja nicht gemeint sein (das wäre der Supergag in diesem Poem), und schilt als 3.Pers.Nom. von schelten würde auch nicht passen - hat ja auch nur ein l ... Zu S4V4 "Allein ich pfiff sie nie." Hier müsste wohl hinter "allein" ein Komma stehen, oder ein anderes pausenanzeigendes Zeichen wie ein Doppelpunkt oder Gedankenstrich? Ansonsten würde leicht eine Bedeutungsänderung entstehen, im Sinne von "Allein pfiff ich sie nie" - dann würde hier die fröhlich pfeifende Gemeinschaft statt der verzagt verstummten Einsamkeit beschworen. Vielen Dank für eine Rückmeldung dazu und beste Grüße von Epilog |
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16.11.2021, 19:55 | #3 | |||||||
Danke für die eingehenden Fragen, Epilog! Es freut mich sehr, dass sich jemand unterwunden hat, die Verse aufmerksam zu lesen.
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23.11.2021, 15:39 | #4 |
In der Antwort zu Epilogs Frage steckt mehr Kunst drin als im Gedicht selbst. Respekt! (natürlich übertreibe ich) 22 J. wirklich? wow
Sehr schönes Gedicht. Und zu dem letzten Satz mit der besonderen Bedeutung und Auflösung, ich mag sowas sehr. Und natürlich ohne Komma. |
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23.11.2021, 16:01 | #5 |
Vielen Dank. Ja, diese Art der Auflösung habe ich mir bei Heine abgeschaut. Vielleicht erkennt man auch, welches seiner Gedichte dem meinigen in besonderer Weise zugrunde lag.
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23.11.2021, 16:10 | #6 |
abgemeldet
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servus du
auch von mir ein herzliches willkommen hier im forum ich persönlich bin nicht wirklich ein freund "alter sprache" aber dein gedicht hat mich dennoch abgeholt und mich näher auf die kommentare und deine eigene auflösung dazu neugierig gemacht und je mehr ich von deinen erklärungen zu den einzelnen zeilen gelesen hatte umso besser konnte ich sie verstehen und: genau das hat mir seeeehr gut gefallen alle liebe in deinen tag ein lichtsohn |
23.11.2021, 17:09 | #7 | |
Zitat:
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23.11.2021, 18:11 | #8 |
gesperrt
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Ich glaube zu wissen, Johann, welches Gedicht dich inspiriert hat. Das wäre das Gedicht, in dem sich H.H. wünscht, von einem Jungen erschossen zu werden, der mit einem Gewehr jongliert.
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23.11.2021, 18:32 | #9 |
Das ist goldrichtig geraten (es wird meist nach dem Incipit "Mein Herz, mein Herz ist traurig" genannt). Aber wir sollten nicht vergessen, dass es nur das Ich ist, der die makabre Bemerkung am Ende macht, nicht in voller Ernsthaftigkeit der sonst auch viel mit Ironie verfahrende Heine. Ich glaube, viel mehr, als aus dem Gedichte seine eigene Gefühlswelt zu einem bestimmten Augenblick seiner Lebenszeit widerscheine, macht Heine dem gedachten Leser damit ein Angebot, sich mit dem Sprecher des Gedichtes zu identifizieren. Denn hinter dem Gedicht steht ja ein recht einfältiger melancholischer Gedanke, der womöglich einen jeden dann und wann befällt, und die kunstvolle und geistreiche Ausgestaltung desselben lädt, ihn erneut in sich zu erwecken, vielleicht gar eine noch kaum verblichene Erinnerung vor diesem Hintergrund neu anzusehen.
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23.11.2021, 20:49 | #10 |
gesperrt
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Ich habe nicht geraten. Ich habe es gewußt, Johann. Glauben heißt mehr als Wissen. Wissen kann täuschen. Der richtige Glaube nie. Ich habe das Gedicht vor sehr vielen, vielen Jahren einmal gelesen. Wohl als die Mathilde noch das Grab eigenhändig pflegte. Den Inhalt habe ich in Gänze vergessen. Als ich aber heute dein Werk las, kam mir der Rhythmus (die Melodie) gar nicht spanisch vor und beim letzten Vers: "Allein ich pfiff sie nie.", kam der Gedankenblitz vorbei und ich sagte mir: "Ich auch nicht, aber der Junge, der Junge muß es gewesen sein, der mit der Waffe spielte und pfiff dabei und H.H. erschießen sollte.
Mit deiner Interpretation des Gedichtes bin ich nicht einverstanden. H.H. dachte nicht an den Leser, als er es schrieb, sondern an sich selbst (er war ja interessanter als 99,9% seiner Zeitgenossen) und daran, daß ihm das Gedicht gelinge. Der letzte Vers ist ihm wohl zuerst eingefallen, als er den Jungen am Ufer spielend und pfeiffend sah und die übrigen hat er später nur dazu geschrieben, damit es Hand und Fuß hat und nicht zu kurz kommt. Er war der erste Dichter mit dem ich mich befasste. Erst später kamen die anderen: RMR, HHK, HP. Zu ihm werde ich nicht zurückkehren. Die moderne Lyrik ist ja interessanter. Damit meine ich natürlich auch dein Meisterstück. |
23.11.2021, 23:12 | #11 | |
Zitat:
Danke indes für dein großes Lob. |
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Lesezeichen für Ein Bild |
Stichworte |
kontemplation, melancholie, wehmut |
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