Erkenntnisse vor dem Spiegel

[Rolli]

Du wirst alt, da ist doch klar,
nichts ist mehr, wie es mal war.

Ich spüre es an meinen Haaren,
die früher auch mal voller waren.
Zum Ausgleich wachsen neue auch,
am Po, im Ohr und auf dem Bauch.
Ich will nur nebenbei erwähnen,
sie wachsen ebenso auf Zähnen.
Sie werden grau, manchmal auch weiß;
was ist das für ein blöder Scheiß?

Da folgt auch schon der nächste Schock,
die Haut knüllt sich zum Faltenrock.
Mein Tussi-Toaster stand nie still,
ich war die Rostwurst auf dem Grill.
Was früher lecker ausgeschaut,
ist heut' verbrannte Lederhaut.
Dem Schrumpeln meiner Körperhülle
begegne ich mit Leibesfülle.

Es war mir früher nie zu laut,
wenn einer auf die Pauke haut.
Die heißen Klänge ließen schmoren
das Ohropax und Schmalz in Ohren
und trotz Gefahr des Tinnitus,
dabei zu sein, das war ein Muss.
Doch nun erfordert mein Gehör
ein Kind im Ohr als Zubehör.

Die Zähne morsch, Parodontose,
die ersten wackeln, werden lose,
der Doc beginnt sie rauszureißen,
recht schwer, noch kraftvoll zu zubeißen.
Die Zahnprothese zahlt die Kasse,
ich trinke aus der Schnabeltasse
und halt‘ die Lippen fest verschlossen,
bevor ein Foto wird geschossen.

Nie war ich eine Brillenschlange,
die Eitelkeit verbot dies lange.
Nun wird das Lesen echt zur Qual,
die Sicht viel schlechter, wie fatal.
Doch mittlerweile bin ich froh,
nehme den Kneifer mit aufs Klo
und um es allen zu beweisen,
beginne ich jetzt klug zu scheißen.

Mein Busen trotzt der Schwerkraft kaum,
ein Rettungsring sprengt jeden Saum,
der Kragen spannt am Doppelkinn,
so macht das Leben kaum noch Sinn.
Sind denn mein Rheuma, Gicht, Arthrose,
die feuchten Flecken in der Hose
vonnöten, wenn die Jugend weicht?
Ich sage: Nein, genug, es reicht!

Zum Ende meiner Existenz
wird die beginnende Demenz
zum hellen Licht am Firmament,
das ganz allein für mich nur brennt.
Jetzt bin ich glücklich und zufrieden,
kann sorgenfrei das Leben lieben;
von Lasten der Vergangenheit
bin ich dank Alzheimer befreit.

[Ilka-Maria]

Hallo, Rolli,

was für ein selbstkritisches, sarkastisches Horror-Szenario!
Da gibt es nur eine Lösung: jung zu sterben .

LG
Ilka

[Rolli]

Oder schon in jungen Jahren einen vernünftigen Lebensstil pflegen.
Danke fürs Feedback und
liebe Grüße Rolli